Das deutsche Gesundheitssystem ist komplex. Unter anderem bedingt durch die Fragmentierung und die föderalen Strukturen ist es für viele Menschen nicht einfach, sich in dem System zurechtzufinden. Die Rufnummer des ärztlichen Notfalldienstes 116 117 ist beispielsweise nur einem Drittel der Bürgerinnen und Bürger bekannt. Insbesondere Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz fällt die Orientierung oft schwer, zum Beispiel, wenn sie nach der passenden Behandlung für ihr gesundheitliches Problem suchen. Sie benötigen häufig Unterstützung beim Zugang zu den Einrichtungen der Versorgung. Wichtig ist auch, dass Menschen in Krisensituationen schnelle Hilfe finden. Für viele Notlagen gibt es gute Anlaufstellen – die sind jedoch nicht immer bekannt und zum Teil auch nicht auf Anhieb auffindbar.
Die Kategorie „Navigation im Gesundheitssystem“ umfasst zum einen die Zugangsmöglichkeiten zur medizinischen Versorgung, von der Suche nach Leistungserbringern oder Apotheken bis zum eTerminservice und zur Videosprechstunde. Zum anderen benennt diese Kategorie des Themenkatalogs die wichtigsten Zugänge zu persönlicher Beratung. Neben Einrichtungen, die breit zu allen Fragen rund um die Gesundheit beraten – etwa die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) und das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) – sind auch Anbieter von spezifischeren Beratungsthemen vertreten. Aufgenommen sind Angebote, die eine breite Zielgruppe betreffen (z. B. zu den Themen Krebs oder Pflege). Darüber hinaus sind die wichtigsten Hilfestellen für Menschen in Krisensituationen verzeichnet (z. B. für Opfer von Gewalttaten oder sexuellem Missbrauch).
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Suche nach medizinischen Leistungserbringern
Dieser Themenbereich umfasst Anfragen zur Suche nach medizinischen Leistungserbringern, beispielsweise nach (Zahn-)Arztpraxen und Krankenhäusern oder auch nach freien Plätzen in der Psychotherapie, Pflege oder Rehabilitation. Die Zahl der Anfragen bei der UPD hat sich im Jahr 2019 verglichen mit dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Es werden häufig Kontakt- und Qualitätsinformationen nachgefragt. Aus unseren Analysen geht hervor, dass Informationen über zuverlässige Suchportale und anleitende Hinweise zur eigenen Recherche von Anlaufstellen notwendig sind.
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Kontaktinformationen
Die UPD wird oft auf der Suche nach Leistungserbringern und weiteren Anlaufstellen im Gesundheitssystem kontaktiert. Die Ratsuchenden fragen nach geeigneten Ansprechpersonen für ihr gesundheitliches Problem und (anschließend) ganz konkret nach Kontaktadressen. Der Fokus der Beratung liegt darauf, vorhandene Informationen über Arztpraxen, Kliniken etc. zugänglich zu machen und die selbstständige Recherche von Anlaufstellen anzuleiten. Der Bedarf an zuverlässigen Informationen ist hier offensichtlich.
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Qualitätsinformationen
Aus der Statistik der UPD geht hervor, dass etliche Anfragen zur Qualität von Leistungserbringern gestellt werden. Es besteht ein Informationsbedarf zur Qualifizierung, Spezialisierung und besonderen Erfahrung bei bestimmten Erkrankungen. Die Ratsuchenden wünschen, dass ihnen besonders qualifizierte oder spezialisierte Leistungserbringer empfohlen werden.
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Terminvergabe
Die Beratungsstatistik der UPD zeigt, dass Ratsuchende Schwierigkeiten haben, (zeitnahe) Termine in Fach- und auch Hausarztpraxen zu bekommen. Zudem stellt oft der Zugang zu Plätzen in pflegerischen Einrichtungen eine Herausforderung dar, besonders in Akutsituationen sowie im Bereich der ambulanten Psychotherapie. Es besteht ein Informationsbedarf zu Regelungen der Termin- und Platzvergabe und zu Möglichkeiten, Termine bzw. Plätze zu erhalten. Die „Terminvergabe“ ist seit Jahren ein Thema bei der UPD, wobei die Zahl der Beratungen im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist. Die UPD berichtet, dass die Terminservicestellen, die rund um die Uhr unter der Rufnummer 116 117 erreichbar sind, vielen Ratsuchenden nicht bekannt sind.
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eTerminservice
Die Terminservicestellen sind sowohl telefonisch als auch online erreichbar. Der eTerminservice der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) unterstützt Versicherte, zeitnah einen Termin beim Hausarzt, bei einer Fachärztin oder bei einem Psychotherapeuten zu bekommen. Das Angebot ist noch relativ neu und muss in der Bevölkerung noch weiter bekannt gemacht werden. Denn es wenden sich noch viele Ratsuchende zu diesem Thema an die UPD.
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Schnelle medizinische Hilfe
Wenn die Arztpraxen geschlossen sind, ist der medizinische Bereitschaftsdienst über die Rufnummer 116 117 erreichbar. Bei Notfällen und potenziell lebensbedrohlichen Situationen ist hingegen der Notruf 112 zu alarmieren. Laut einer Versichertenbefragung der KBV im Jahr 2020 kennen nur 32 Prozent der Befragten die Nummer des Bereitschaftsdienstes. Dass viele Bürgerinnen und Bürger nicht sicher sind, wann sie den Notruf und wann den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen sollen, geht aus entsprechenden Informationen auf Krankenkassen-Websites und Gesundheitsportalen hervor. Auch bei Vergiftungen gibt es Notrufnummern – allerdings fehlt es an einer bundeseinheitlichen Nummer. In Krisensituationen wie einer Vergiftung kann das zu einer unnötigen Verzögerung des Notrufs führen.
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Ärztlicher Bereitschaftsdienst
Außerhalb der Praxiszeiten ist seit dem 16.4.2012 der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116 117 kostenlos erreichbar. Die Nummer, die ohne Vorwahl im Fest- und Mobilnetz funktioniert, ist jedoch nur einem Drittel der Bürgerinnen und Bürger bekannt. Auch auf der Website der KV www.116117.de kann der Bereitschaftsdienst der (Zahn-)Ärzte am jeweiligen Wohnort ermittelt werden.
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Notruf
In lebensbedrohlichen Situationen ist die Rufnummer 112 des Rettungsdienstes zu wählen. Nur ein geringer Teil der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland weiß, dass die Notrufnummer 112 in der gesamten EU gilt.
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Giftnotruf
Im Falle einer Vergiftung gilt es schnell zu handeln. Allerdings fehlt eine bundeseinheitliche Notrufnummer, das heißt es ist die jeweilige Nummer des Giftnotrufes im entsprechenden Bundesland zu wählen. Da die Suche nach der richtigen Nummer zu unnötigen Verzögerungen und gesundheitlichen Folgen führen kann, ist es (lebens)wichtig, dass die Notrufnummer schnell auffindbar ist.
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Videosprechstunde
Seit Oktober 2019 sind Videosprechstunden für sämtliche Indikationen gesetzlich gestattet. Es stehen mehrere Plattformen zur Verfügung, über die virtuelle Arztbesuche gebucht werden können. Durch die Corona-Pandemie haben telemedizinische Beratungen deutlich zugenommen. Ärztinnen und Ärzte wie auch Patientinnen und Patienten sind für Online-Sprechstunden inzwischen aufgeschlossener. Dadurch ergeben sich aber auch viele Fragen zu technischen Voraussetzungen, zum Ablauf oder zum Datenschutz.
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Apotheken
Circa 18.000 Apotheken umfasst das Netz in Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger möchten wissen, wo sich die nächstgelegene Apotheke befindet, welche Apotheke wann Notdienst hat und was bei Bestellungen in Versandapotheken zu beachten ist.
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Notdienstapotheken
24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr ist eine Apotheke in der Nähe dienstbereit. Wer außerhalb der Öffnungszeiten dringend ein Medikament benötigt, möchte schnell erfahren, welche Apotheke Not- oder Nachtdienst hat.
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Versandapotheken
Beim Bestellen von Arzneimitteln in Online-Apotheken fehlt der persönliche Kontakt. Die Kundinnen und Kunden möchten dennoch sicher gehen, dass sie kompetent beraten werden. Sie interessieren sich auch dafür, wie sie Rezepte online einlösen oder ob sie Rabatte erhalten können.
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Unabhängige Patientenberatung Deutschland
Im Jahr 2020 führte die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) mehr als 170.000 Beratungen zu gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen durch. Die im gesetzlichen Auftrag arbeitende Einrichtung hilft telefonisch und online weiter, in rund 30 Städten auch vor Ort. Beratungen werden auch auf Türkisch und Russisch durchgeführt.
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Bürgertelefon
Mit dem Bürgertelefon bietet das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängige Beratungen bei Fragen zum deutschen Gesundheitssystem, etwa zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur gesundheitlichen Prävention. Der Service ist barrierefrei und kann auch von Gehörlosen und Hörgeschädigten genutzt werden.
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Patientenbeauftragter
Gemäß Paragraph 140h Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – hat der Patientenbeauftragte die Belange von Patientinnen und Patienten in allen relevanten politischen Bereichen zu vertreten. Zu den Aufgaben zählt auch, Patientinnen und Patienten über ihre Rechte im Gesundheitssystem zu informieren.
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Patientenberatung der Ärztekammern
Alle Landesärztekammern kommen dem Beratungsbedarf von Patientinnen und Patienten mit eigenen Angeboten zu medizinischen und rechtlichen Themen nach.
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Zahnärztliche Patientenberatung
Rund 31.000 Anliegen wurden im Jahr 2020 an die Beratungsstellen der Zahnärzteschaft gerichtet. Mehr als die Hälfte der Beratungen betrafen rechtliche oder finanzielle Fragen.
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Reha-Beratungsangebote
Je nach individueller Situation sind für Beratungen zur Rehabilitation die Kranken- oder Unfallversicherung, die Bundesagentur für Arbeit/Jobcenter oder die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zuständig. Zu diesem komplexen Themenbereich benötigen viele Menschen Beratung, beispielsweise zu Ansprüchen und zur Antragstellung. Vorab gilt es, die zuständige Beratungsstelle zu finden. Dabei brauchen Ratsuchende Unterstützung.
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Krebsinformationsdienst
Vor der Diagnose „Krebs“ fürchten sich die allermeisten Menschen, denn die Erkrankung wird mit erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität und oft auch mit dem Tod assoziiert. Da jeder zweite Mensch – statistisch gesehen – im Lauf des Lebens an Krebs erkrankt, betrifft das Thema eine große Zielgruppe.
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Pflegetelefon
Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums richtet sich an pflegende Angehörige. Im Jahr 2020 gingen knapp 8.400 Anrufe ein – ein Hinweis auf den großen Beratungsbedarf rund um das Thema „Pflege“.
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Pflegestützpunkte
Sei es die Suche nach einem passenden Pflegedienst oder das Ausfüllen von Anträgen – pflegebedürftige Personen und ihre Angehörige haben häufig Beratungsbedarf, den die von den Kranken- und Pflegekassen in jedem Bundesland eingerichteten Pflegestützpunkte decken.
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Beratungsangebote von Patientenorganisationen
Auch einige Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten haben Angebote etabliert, die auf Nachfragen zu ihren Themenschwerpunkten, etwa Verbraucherschutz oder Selbsthilfe, spezialisiert sind.
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Verbraucherzentrale Bundesverband
Mehr als 616.000 Anfragen und Beschwerden gingen im Jahr 2020 beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein, darunter auch zum Arbeitsfeld „Gesundheit und Pflege“. Der vzbv bzw. die Verbraucherzentralen der Bundesländer kommen dem immensen Beratungsbedarf der Bürgerinnen und Bürger zu Themen rund um den gesundheitlichen Verbraucherschutz und zu Rechtsproblemen nach.
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Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen
Rund 100.000 Selbsthilfegruppen existieren in Deutschland. Diese hohe Anzahl belegt, dass viele Menschen in Selbsthilfegruppen Unterstützung suchen, beispielsweise um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und mehr über ihre jeweilige Erkrankung zu erfahren.
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Deutscher Behindertenrat
Fast acht Millionen Menschen mit Behinderung leben in Deutschland. Der Deutsche Behindertenrat (DBR) vertritt ihre Interessen. Er informiert über seine Arbeit und bietet Veranstaltungen an.
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Hilfe in Notlagen
Jeder Mensch kann unerwartet in eine Krisensituation geraten und plötzlich Unterstützung benötigen. Ob Suizidgedanken, Gewalterfahrungen oder sexueller Missbrauch – in den unterschiedlichsten Notlagen sind schnelle professionelle Hilfe und Beratung unerlässlich. Betroffene benötigen schnellstmöglich die Kontaktdaten von passenden Anlaufstellen.
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Sozialpsychiatrische Dienste
In seelischen Notlagen und Krisensituationen wenden sich viele Betroffene und Angehörige an die Sozialpsychiatrischen Dienste. In jedem Kreis bzw. in jeder kreisfreien Stadt ist ein solcher Dienst eingerichtet. Es fehlt jedoch an einer zentralen Anlaufstelle und einer deutschlandweit einheitlichen Telefonnummer.
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Seelsorge und Krisenberatung
Menschen in seelischen Notsituationen können sich an die TelefonSeelsorge wenden. Den sehr großen Bedarf an seelsorgerischer Beratung verdeutlichen mehr als 1,2 Millionen Telefonate im Jahr 2020.
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Suizidprävention
Auch in einer suizidalen Krise bietet die TelefonSeelsorge Hilfe. Suizidalität zählt laut Statistik der TelefonSeelsorge zu den Schwerpunktthemen der Beratung. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention unterstützt Ratsuchende mit einer Liste von Hilfsangeboten in Deutschland.
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Hilfe bei sexuellem Missbrauch
Bei der qualvollen Erfahrung des sexuellen Missbrauchs bedarf es einer einfühlsamen wie auch kompetenten Beratung. Diese vermittelt das Hilfeportal des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauches. Bei sexueller Gewalterfahrung bietet die Online Datenbank für Betroffene von Straftaten (ODABS) Unterstützung bei der Suche nach Beratungsstellen.
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Hilfe für Opfer von Straftaten
Neben körperlichen Schäden erleiden Opfer einer Gewalttat häufig auch seelische Schäden. Die Online Datenbank für Betroffene von Straftaten (ODABS) hilft bei der Suche nach passenden Beratungsstellen – sowohl bei körperlicher und sexueller Gewalterfahrung als auch bei seelischer Belastung in Folge einer Straftat. Betroffene suchen auch Beratung, wenn es um finanzielle Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz geht.
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Subthema |
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Gewalt gegen Frauen |
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Kommunale Schuldnerberatung
Durch eine (längerfristige) Erkrankung können Menschen in finanzielle Nöte geraten und Schulden entstehen. In solchen Situationen suchen viele nach Beratung. Es ist jedoch schwierig, eine Einrichtung vor Ort zu finden, denn es gibt keinen Überblick über die mehr als 1.400 anerkannten Schuldnerberatungsstellen in Deutschland gibt. Je nach Wohnort werden Beratungen von verschiedenen – meist gemeinnützigen – Organisationen angeboten.
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Familienberatung
630.000 Fälle von Beratungsleistungen führten die zentralen Träger der Familienberatung im Jahr 2019 durch. Viele Anfragen betrafen beispielsweise das Thema „Belastungen von Kindern und Jugendlichen“. Auch Fragen rund um die Geburt zählten zu den häufig verzeichneten Themen.
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Schwangerschaftskonfliktberatung
Bei einer ungeplanten Schwangerschaft suchen viele Frauen Beratung. Ziehen sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung, ist nach § 219 StGB eine Schwangerschaftskonfliktberatung durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle oder Arztpraxis Voraussetzung für einen straffreien Abbruch. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) bietet einen Beratungsstellenfinder an. Auch das Hilfetelefon Schwangere in Not vermittelt betroffene Frauen an Beratungsstellen vor Ort weiter.